ars et vinum - Atelier Steffens, Designer Christoph Steffens

Direkt zum Seiteninhalt
Künstlerisches für einen edlen Wein



Folgender Artikel erschien in der Fachzeitschrift: "Die Winzerzeitschrift"


Über Kunst auf Weinflaschen
Weinkultur und das Flair eines Künstleretikettes erläutert in den folgenden Ausführungen Dipl.-Designer Christoph Steffens

Wein-Kultur bedeutet, den Genuss eines guten Tropfens aufmerksam mit geschärften Sinnen zu zelebrieren. Die Sinneswahrnehmungen von Gaumen und Nase bestimmen dabei, ob der Wein mundet oder nicht. Unsere Sinne arbeiten dabei nicht einzeln getrennt voneinander, sondern sie beeinflussen sich in hohem Maße gegenseitig. Es heißt nicht umsonst: Das Auge trinkt mit. Der Sehsinn prägt demnach schon im Vorfeld die Erwartungshaltung von Gaumen und Nase, ob sie wohlwollend auf ein Genusserlebnis gestimmt sind oder eher eine skeptische Haltung einnehmen.
Dies bedeutet, dass der Sehsinn für ein eindrucksvolles Geschmackserlebnis einbezogen sein will, so, als würde auch er den Wein schmecken können. Da jedoch die pure Flüssigkeit eines Weines dem Auge nicht verrät, was in ihr stecken kann, liegt es nahe, optische Rahmenbedingungen zu erschaffen, um ein Gaumenerlebnis mit einem Fest für die Augen zu umrahmen. In diesem Artikel möchte ich die optische Wirkung von künstlerischen Werken auf einer Weinflasche thematisieren - im Bewusstsein, dass damit nur ein Teilaspekt unserer fünf Sinne angesprochen wird.

 
Die Idee, Kunst und Wein zusammen zu bringen
Wer sich mit Künstleretiketten beschäftigt, der wird kaum an Baron Philipp de Rothschild vorbei kommen. Ist doch sein Chateau Mouton Rothschild der wohl berühmteste Vertreter, der Kunst und Wein schon 1945 zusammengebracht hat, und seither jedes Jahr ein eigenes Kunstwerk von berühmten Künstlern kreieren lässt. Rothschild setzt sehr geschickt auf die Werbewirkung großer Namen, die seinen Weinen einen sehr exklusiven Rahmen verleihen. Dadurch, dass das Erscheinungsbild des Weines direkt mit einem herausragenden Kulturschaffenden in Verbindung gebracht wird, entsteht eine Aura von exklusiver Wertigkeit und einem intellektuellen Anspruch, der das Produkt Wein sozusagen mit einem Künstleretikett adelt. Die Namen Marc Chagall, Pablo Picasso oder Gerhard Richter werden ihre Werbewirkung nicht verfehlen. Dabei spielt das eigentliche Kunstwerk auf dem Etikett eine untergeordnete Rolle. Die großen Künstler können es sich erlauben, frei und ungezwungen Kunstwerke zu kreieren, ohne sich um die Meinung des Publikums kümmern zu müssen. Im Gegenteil, die Gesellschaft erwartet ja geradezu unkonventionelle Bildwelten. Je geheimnisvoller und unverständlicher, desto besser.

 
Wenn es auf das Kunstwerk ankommt…
Ist der Künstler weniger berühmt, so muss das Werk selbst die gewünschte Werbewirkung entfalten. Hier sind die Künstler weit mehr gefragt, Werke zu präsentieren, die das Publikum positiv ansprechen. Anders ausgedrückt: Im Mittelpunkt steht die Erwartungshaltung der Zielgruppe. Thematisch und stilistisch ist hierbei alles erlaubt, was dazu beitragen kann, Wertigkeit und Einzigartigkeit des infrage kommenden Weines zu unterstreichen und auch positive Assoziationen zu diesem Produkt hervorzurufen. Mit einem solchen Gedankenansatz sind wir schnell im Gesamtmarketing eines Weinbaubetriebes, das die Positionierung des neuen Künstlerweines im Angebotssortiment und im Markt allgemein festlegt.

Das Künstler-Etikett als Marketinginstrument
Betrachten wir die Künstleretiketten des Chateau Mouton Rothschild, wird deutlich, dass etwa nur ein Drittel der Etikettenfläche dem Künstler zur Verfügung gestellt wird. Schriftzug und Logo der Marke „Chateau Mouton Rothschild“ stehen klar im Zentrum. Geworben wird mit dem Künstlernamen „Picasso“, die Werbebotschaft bleibt aber unverkennbar: „Rothschild“.
Das macht deutlich, dass auch bei außergewöhnlicher und vielleicht provokanter Kunst auf Weinflaschen, ein durchdachtes Marketing nie aus den Augen verloren werden darf.
Die Weinvermarkter sind nun gefragt, wie ein Künstlerwein in der eigenen Marketingstrategie positioniert werden kann. Kunst ist sicherlich in vielen Fällen ein geeignetes Instrument seine individuelle Unique Selling Proposition (Alleinstellungsmerkmal) zu unterstützen.

 
Kunst fein dosiert - als Kennzeichen von Rarität und Qualität
Ein neues Künstleretikett eignet sich beispielsweise zu einer wirksamen Werbeaktion, bei der einem ausgesuchten Wein des Premium-Segmentes besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das funktioniert natürlich dann besonders gut, wenn sich mit prominenten Künstlernamen werben lässt. Der Künstlerwein stellt eine kostbare Rarität dar, der in erster Linie von der Berühmtheit des Namens und darüber hinaus auch von einer Aura eines exklusiven Kulturgutes profitiert. Werden doch hochkarätige Kunstwerke in der Gesellschaft begleitet von Attributen einer handverlesenen Einzigartigkeit und anspruchsvollen Qualität, die automatisch auf das Produkt Wein übertragen werden. Nicht selten vermittelt ein neues Kunstwerk den Eindruck, als hätten Künstler und Weingut gerade diesen besonderen Wein neu erfunden.
 
Kunstwerke als Instrument der Imagebildung
Nun kann eine Marketingstrategie auch so angelegt werden, dass ein Weingut ein ganz bestimmtes feststehendes Kunstwerk als sein individuelles Markenbild etabliert. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Kunstwelt stark schwankenden Modevorlieben ausgesetzt ist (auch wenn kein Künstler das gerne hört). Und wenn gilt, dass nichts so alt wirkt, wie die neuste Mode von gestern, ist ein Weingut bestens beraten, eine möglichst zeitlose Darstellung als Marke zu wählen.

Eine kreative Note für alle Produkte des Sortiments
Die Idee, jedem seiner Weine ein eigenes individuelles Kunstetikett kreieren zu lassen, ist sicherlich eine hervorragende Marketingstrategie mit der eine gehörige Portion Farbe und Lebendigkeit ins Angebot gebracht werden kann. Allerdings gehen die oben beschriebenen Kunst-Aspekte „anspruchsvolle, kostbare Rarität“ bei einem Großserieneinsatz naturgemäß komplett verloren. Viel eher steht hier die Werbebotschaft „Kreativität, Lebendigkeit, Lebensfreude, Genuss…“ im Mittelpunkt, was, je nachdem wie professionell die Strategie umgesetzt wird, auch ein interessanter Weg sein kann, eine erfolgreiche Unique Selling Proposition seines Weingutes auszubauen. Gerade bei gesteigerten Auflagen sollte großen Wert darauf gelegt werden, dass die eingesetzten Kunstwerke mit ansprechender Qualität ausgeführt sind. Denn während sich anspruchsvolle Kunst in der Gesellschaft einer hohen Wertschätzung erfreut, werden „Bunte Bildchen“ schnell als minderwertigen Kitsch abgetan.

 
Ein Fremdkörper auf der Weinflasche
Leinwand oder Papier sind des Künstlers Metier, er denkt während seiner schöpferischen Phase kaum daran, dass die Arbeit winzig klein auf der gebogenen Zylinderfläche einer Weinflasche ihre Wirkung entfalten muss. So kommt es nicht selten vor, dass sehr gelungene Bildkompositionen eines Gemäldes in der Ebene sehr ansprechend wirken, sobald sie auf der Wölbung einer Glasflasche angebracht sind, sie ihren Charme aber völlig einbüßen. Gestaltungselemente an den Bildrändern wandern mehr und mehr bis zur Unkenntlichkeit aus dem Blickfeld und verändern die Proportionen eines Gemäldes beträchtlich. Wie ein fremdes Anhängsel begleiteten dann viele, eigentlich hervorragend gearbeitete Kunstwerke ihre Flasche.
Deshalb empfiehlt es sich, schon während des Entstehungsprozesses bereits die erste Skizze in Original-Größe einmal direkt auf die Flasche zu halten und sie mit etwas Abstand betrachtet auf sich wirken zu lassen.  Auf diese Weise lässt sich einfach und zuverlässig abschätzen, ob sich die gewünschte Wirkung in dieser Form entfaltet.

 
Das Kunstwerk als Teil einer Verpackung
Künstler und Grafiker, die nur selten ein Etikett gestalten, kreieren dieses meist losgelöst vom Erscheinungsbild der Glasflasche. Dabei wird gerne vergessen, dass das Etikett nur einen Teil einer Flaschenausstattung darstellt, die als Gesamtverpackung eines Weines verstanden werden muss.
Erst ein gelungenes Zusammenspiel aller Komponenten einer Flaschenausstattung vermitteln Professionalität und eine hohe Weinqualität. Künstler oder Grafiker sollten nicht nur prüfen, ob ihr Werk gebogen „funktioniert“, sondern auch, ob die gewählten Farben und Formen mit allen anderen Ausstattungselementen ein harmonisches Produktbild als Botschaft transportieren. Ein Gemälde auf einer hellen dicken Klarglasflasche eines frisch fruchtigen Rosé-Weines wirkt schließlich völlig anders, als das gleiche Kunstwerk auf einer sehr schlanken dunklen Rotweinflasche. Ein leichter fruchtig-spritziger Tafelwein findet eher in einer freundlich hellen Gestaltung seine visuelle Umsetzung, wobei eine gehaltvolle Auslese durchaus in dunkeln kräftigen Farbtönen eine hohe Wertanmutung erfährt.

 
Oft vernachlässigt: Die Assoziation zum Wein
Beim Zusammenspiel von Wein und Kunst ist das Ziel, dass beide voneinander profitieren und sich gegenseitig beflügeln. Salopp ausgedrückt: Die Ausstrahlung der Kunst sollte unbedingt zum Wein passen. Gemeint sind damit feststehende Erwartungshaltungen und Sehgewohnheiten der Konsumenten, die den Genuss eines traditionsreichen Qualitätserzeugnisses im Sinn haben. Während Künstler sich normalerweise frei von vorherrschenden Konventionen entfalten möchten, sollten auf der Flasche nur solche Werke und Themen präsentiert werden, die negative Assoziationen des Publikums ausschließen. Beispielsweise sind  - anders als in der freien Kunst - Assoziationen zu Ekel, Leid, Minderwertigkeit verständlicherweise deplatziert und kontraproduktiv. Schließlich will ein Winzer seinen Wein verkaufen und nicht die Kundschaft davonjagen.
Das soll nicht bedeuten, dass wir nur aalglatte Dekorationen ohne Biss und Spitzen suchen. Im Gegenteil. Echte Innovationen sind gefragt, die innerhalb der oben genannten Grenzen immer noch einen sehr weiten künstlerischen Spielraum zulassen. Die Kunst auf der Flasche wird „geknechtet“ und steht ganz im Dienste des Weines und wie immer die kreative Lösung aussehen mag, seine zentrale Intension bleibt, den Wein zu adeln.

 
Unterbewusste Farbassoziationen
In einer Studie wurde herausgefunden, dass ein heißer Kakao aus einer orangen Tasse besser schmeckte, als aus einer andersfarbigen Tasse. Bei einem ähnlichen Experiment konnte ich mich selbst davon überzeugen, dass für einen Kaffeegenuss grell gelbe und grüne Tassen nicht benutzt wurden, wenn die Wahlmöglichkeit für warme Pastellfarben oder dunklere Farbtöne bestand.
Diese Beispiele zeigen eindrucksvoll, wie schon alleine die Farbwahl unser Geschmacksempfinden beeinflussen und prägen kann. Übertrage ich diese Erkenntnis sinngemäß auf den Genuss eines Weines, so bin ich überzeugt, dass auch Farbanmutung und Erscheinungsbild einer Flaschenausstattung das Geschmackserlebnis bei einer Weinverkostung unbewusst beeinflussen können. So präsentiert sich eine Vielzahl sehr schöner Künstlerweine als moderne Lifestyle-Produkte, bei denen leider die Assoziation eines leckeren Weines vernachlässigt wird.
 
Fazit
Bei allen Überlegungen zum Thema „Wein und Kunst“ kommt es auf eine clevere Marketing-Strategie an. Dabei lassen sich die positiv besetzten Assoziationen der künstlerischen Kreativität im Dienste der Wein-Werbung nutzen. Gefragt sind solche Kunstformen, die das Flair der Weinkultur fördern und bereichern.  



Zurück zum Seiteninhalt